Neulich bin ich auf einen Artikel der Jugendseite einer Zeitung gestoßen, der mich ziemlich aufgeregt hat. Oft stehen dort relativ interessante Dinge (zum Beispiel über Couch Surfing, Backpackingurlaub, Minijobs und alles mögliche andere, das für junge Menschen von Interesse sein könnte), aber zu diesem einen Beitrag muss ich jetzt doch mal was loswerden.
"Wie ich mir die absolut Richtige für mich vorstelle? Ich schätze mal, 50 Prozent der männlichen chili-Leser sagen jetzt: „Lange Haare und Beine, Knackarsch und einen großen Vorbau muss sie haben!“ Klar gucke ich mir auch gerne schöne Mädchen an. Aber in den letzten Jahren sind mir Äußerlichkeiten immer weniger wichtig geworden als das Innere eines Menschen."
Allein die Einleitung bringt mich schon in Rage. Also erstmal hoffe ich natürlich, dass nicht fünfzig Prozent der Leser so antworten würden, denn das wäre schon ein großer Anteil an verdammt oberflächlichen Menschen. Außerdem impliziert dieser Absatz für mich, dass alle Mädchen, die eben nicht "lange Haare und Beine, Knackarsch und einen großen Vorbau" haben, nicht wirklich "schöne Mädchen" sind. Klar können diese Merkmale bei einigen Frauen richtig gut aussehen, aber es gibt doch eben noch ganz viele andere Körpertypen, die auch alle schön sein können! Fazit: Einleitung recht misslungen... nunja.
"Auch in meinem Freundeskreis habe ich diese Entwicklung beobachtet. Die Richtung bei mir und meinen Kumpels geht immer mehr zum „natürlichen“ Mädchen hin. Wir brauchen alle keine aufgestylten Modelfreundinnen, die sonstwie lange vorm Spiegel brauchen. Lieber ein einfaches Mädchen, das weniger im Bad machen muss. Wir Männer wollen nix Kompliziertes, Aufgesetztes oder Verschönertes. Vielleicht will das mal kurz einer, wenn er unreif ist oder ein Egoproblem hat – aber niemals für eine richtige Beziehung! Nein, Mädchen, die keine wasserstoffblonden Haare, sondern ein schönes Lächeln haben und Sneakers tragen statt Highheels, die berühren mich viel mehr. Ich finde es sympathisch, wenn sie lauthals lachen können und sich nicht verstellen. Dass sie mir in die Augen gucken, wenn sie mit mir reden, und nicht an ihrem Handy rumfummeln, in der Tasche kramen oder „heimlich“ ihr Spiegelbild betrachten."
Und leider geht es dann auch genauso oberflächlich weiter... Ich denke schon, dass man auch mit einer "Modelfreundin" eine durchaus reife Beziehung führen kann - denn das Aussehen lässt eben auch nicht immer auf den Charakter schließen! "Sneakers tragen statt Highheels"? Äääh, is' klar! Also ich persönlich trage ja beides gern, und mein Mann findet mich trotzdem toll, auch wenn ich mal diese bösen hohen Schuhe trage, durch die man anscheinend unweigerlich zur unnatürlichen, aufgetakelten Tussi wird. Und nur weil ein Mädchen sich die Haaare blondiert und sich auffällig schminkt heißt das doch noch lange nicht, dass sie sich verstellt und nicht auch lauthals und ehrlich lachen kann?
"Das Mädchen muss gar nicht extrem dünn sein – eine normale Figur reicht vollkommen, wenn sie sich damit wohlfühlt. Ich will keine Freundin, die ich wie ein Porzellan-Püppchen behandeln muss."
Okay, sie muss also nicht "extrem dünn" sein, sondern nur eine "normale Figur" haben. Wie 'nett'. Was bitte ist eine normale Figur? Nicht extrem dünn, aber ein bisschen dünn? Und was ist mit Mädchen, die eben einfach nicht dünn sind, sondern mollig, dick, oder vielleicht sehr groß (größer als der Junge)? Also ich finde bei einem Text über "die Richtige" hat eine Figurvorgabe eh nichts zu suchen, ich suche mir schließlich meinen Partner nicht nach der Figur aus (die sich eh mal ändern kann im Laufe der Zeit - ist das dann ein Trennungsgrund? Wo wir wieder bei Oberflächlichkeit wären).
Außerdem muss "die Richtige" laut dem Verfasser des Textes dann noch Bier mögen (mag aber halt einfach auch nicht jede(r)?!), selbstständig sein, sich immerzu bemühen, ihn zu verstehen, ein genauso guter Gesprächspartner sein, wie die besten Freunde, "ein bisschen was Mädchenhaftes" darf sie dann gnädigerweise auch noch haben. Aber dass er mit ihr Shoppen geht, oder Kerzen und Rosen, dass solle sie lieber nicht erwarten, sowas "Mädchen-Mädchen-Mädchen"-haftes, nee, das gibt's bei diesem supermännlichen Prachtkerl nicht. Wenn die Bundesliga läuft, ist die Frau erstmal abgeschrieben. Da frage ich mich wirklich: was bitte ist "ein bisschen mädchenhaft", wann ist man "zu sehr Mädchen" und was soll das eigentlich? Ich erwarte auch nicht von Daniel, dass er mir ständig Rosen mitbringt und Candle-Light-Dinner vorbereitet, aber schließlich geht es bei diesen Gesten ja auch nicht darum, dass alles furchtbar romantisch ist, sondern darum, sich gegenseitig wertzuschätzen und den Alltag zu erleichtern/verschönern, sich zu zeigen, dass man sich immer noch wichtig ist! Und das finde ich nicht "mädchenhaft" (wobei das Wort hier irgendwie negativ belastet ist... why?!), sondern einfach rücksichtsvoll und lieb?
Dieser Junge ist 21 und bedient trotzdem so viele Klischees... es ist nunmal einfach nicht so, dass nur kleine pubertäre Jungs auf Frauen mit langen Haaren und großen Brüsten stehen, es gibt durchaus auch erwachsene Männer (und darunter nicht nur blöde Idioten), die solche Frauen einfach heiß finden. Und daran ist ja nun auch nichts falsch. "Natürlichkeit" hat meiner Meinung nach auch nicht allzu viel mit Aussehen zu tun, sondern viel mehr damit, wie man sich verhält. Ich habe das Gefühl, dass der Verfasser dieses Textes Aussehen und Charaktereigenschaften in einen Topf schmeißt. Klar kann das in einigen Fällen stimmen (es gibt ja wirklich Mädchen und Frauen, die den Beschriebenen durchaus entsprechen und mit denen wäre ich dann auch nicht gern zusammen), aber ebenso gibt es eben auch "Mädchen-Mädchen-Mädchen" mit künstlichen Nägeln, wasserstoffblonden Haaren und Highheels, die einfach total nett und super sind und die besten Freundinnen und Partnerinnen!
Ich hoffe wirklich, dass nicht alle Jungs/Männer so denken wie dieses Exemplar, denn das wäre wirklich traurig. Sicherlich hat er in seinem Text auch absichtlich ein extrem schwarz-weißes Bild der Frauenwelt gezeichnet, um seinem Artikel mehr Biss zu verleihen - dennoch finde ich es einfach nicht okay, weil das viel zu verallgemeinernd ist und Charakter mit Aussehen nahezu gleichsetzt.